KURZFASSUNG
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(1) Im vorliegenden Frühjahrsgutachten präsentiert der Sachverständigenrat die aktuelle Konjunkturprognose für die Jahre 2024 sowie 2025. In einem zweiten Kapitel diskutiert der Sachverständigenrat die Herausforderungen für den Güterverkehr zwischen Infrastrukturanforderungen und Dekarbonisierung.
1. Erholung der deutschen Wirtschaft verzögert sich weiter
(2) Nachdem das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der deutschen Volkswirtschaft im vergangenen Jahr preisbereinigt um 0,2 % zurückgegangen ist, erwartet der Sachverständigenrat für dieses Jahr nur ein geringes BIP-Wachstum von 0,2 %. ABBILDUNG K1 OBEN ZIFFER 36 Allerdings ist davon auszugehen, dass die deutsche Wirtschaft im Jahresverlauf etwas an Fahrt gewinnt. So dürften die Inflation zurückgehen und die Nominallöhne steigen, ABBILDUNG K1 UNTEN sodass ein anhaltendes Wachstum der Realeinkommen im Verlauf des Jahres 2024 zu einer moderaten Belebung der privaten Konsumausgaben führt. ZIFFER 38 Im Jahr 2025 ist darüber hinaus damit zu rechnen, dass die Investitionen das Wachstum stützen und die deutsche Volkswirtschaft um 0,9 % wachsen dürfte.
(3) Die Verbraucherpreisinflation in Deutschland hat sich weiter verlangsamt. Vor allem die Energie- und Importpreise sind deutlich gesunken, und die Geldpolitik wirkt restriktiv auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Der Sachverständigenrat rechnet beim nationalen Verbraucherpreisindex in den Jahren 2024 und 2025 mit Steigerungsraten von 2,4 % bzw. 2,1 %, nachdem die Inflation im vergangenen Jahr noch bei 5,9 % lag. Der erhöhte heimische Preisdruck infolge gestiegener Arbeitskosten verhindert allerdings eine schnellere Normalisierung der Inflationsraten. ZIFFER 47 Bei der Kerninflation ist mit Raten von 3,0 % im Jahr 2024 und 2,4 % im Jahr 2025 zu rechnen. Die Inflation im Euro-Raum ist ebenfalls deutlich zurückgegangen. ZIFFER 26 Daher ist davon auszugehen, dass die geldpolitische Straffung ihren Höhepunkt erreicht hat und es im Jahresverlauf zu ersten Zinssenkungen kommen wird. ZIFFER 27 Damit dürften sich die Finanzierungsbedingungen im Prognosehorizont verbessern.
(4) Der andauernde Krieg in der Ukraine und der Konflikt im Nahen Osten stellen erhebliche Risikofaktoren für die Weltwirtschaft dar. ZIFFER 16 Neben der Gefahr, dass die Energiepreise erneut steigen, ist die weitere geld- und fiskalpolitische Ausrichtung unsicher. Sollte sich der Rückgang der Inflation im Euro-Raum am aktuellen Rand verlangsamen, könnte dies die EZB veranlassen, die ersten Leitzinssenkungen zu verschieben. ZIFFER 30 Gleichzeitig könnten bei der Planung der öffentlichen Haushalte zusätzliche Konsolidierungen für das Jahr 2025 notwendig sein. ZIFFER 48 In beiden Fällen dürfte sich die wirtschaftliche Erholung erneut verzögern, nicht zuletzt, da ein weiterer Anstieg der wirtschaftlichen Unsicherheit das Investitionsklima zusätzlich belasten dürfte. ZIFFER 40
2. Güterverkehr zwischen Infrastrukturanforderungen und Dekarbonisierung
(5) Günstige, schnelle und zuverlässige Gütertransporte sind Voraussetzung für eine moderne arbeitsteilige Volkswirtschaft mit komplexen Wertschöpfungsketten. Der Güterverkehr leistet damit wichtige Beiträge zur gesamtwirtschaftlichen Produktivität. In Deutschland ist er aufgrund des vergleichsweise hohen Industrieanteils und der zentralen geografischen Lage ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. ZIFFER 60
Der Güterverkehr in Deutschland steht vor zwei zentralen Herausforderungen. ABBILDUNG K2 Einerseits verschlechtert sich der Zustand der Verkehrsinfrastruktur, was bereits heute Kapazitätsengpässe und Verzögerungen verursacht. ZIFFERN 75 FF. Aufgrund der absehbaren Zunahme des Güterverkehrs wird die Belastung der Infrastruktur weiter steigen. Andererseits muss der Güterverkehr, der 8 % der deutschen Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) ausmacht, dekarbonisiert werden. ZIFFERN 80 FF. Auch wenn das novellierte Klimaschutzgesetz keine jahres- und sektorscharfen Klimaschutzziele mehr vorsieht, hat Deutschland nach der Lastenteilungsverordnung (European Effort Sharing Regulation, ESR) europäisch verpflichtende Ziele für den Verkehrs- und Gebäudesektor zu erfüllen.
(6) Die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland muss modernisiert und ausgebaut werden. ABBILDUNG K2 OBEN Dafür sind höhere Infrastrukturausgaben erforderlich, für die eine stärkere Nutzerfinanzierung, beispielsweise eine fahrleistungsabhängige PKW-Maut, herangezogen werden sollte. ZIFFER 127 Eine feste, längerfristige Zuweisung von Haushaltsmitteln an Investitionsfördergesellschaften könnte die Infrastrukturausgaben verstetigen, für Planungssicherheit sorgen und zu einer Bündelung von Planungsexpertise beitragen. ZIFFER 129 Darüber hinaus sollten nicht-monetäre Hemmnisse in Planungs- und Vergabeverfahren abgebaut werden. Ansatzpunkte wären insbesondere eine stärkere Gewichtung von Qualitäts- gegenüber Kostenkriterien in Vergabeprozessen sowie eine Abkehr vom Mittelstandsgebot, wenn dieses zu ineffizient kleinen Losgrößen zwingt.
(7) Die Potenziale für eine Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene sind begrenzt. ZIFFERN 93 FF. Lediglich 6 % des derzeitigen Straßengüterverkehrs sind theoretisch für eine kurzfristige Verlagerung geeignet. Dieses Potenzial kann allerdings aufgrund fehlender Schienenkapazitäten nicht realisiert werden. ZIFFER 98 Erst bei einer erheblichen Effizienz- und Kapazitätserhöhung des Schienenverkehrs könnte eine Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit, beispielsweise durch eine Senkung von Steuern und Umlagen auf Fahrstrom, zu einer stärkeren Verlagerung führen. ZIFFERN 135 FF. Geeignete Maßnahmen für eine solche Effizienz- und Kapazitätserhöhung wären die europaweite Einführung der Digitalen Automatischen Kupplung, ZIFFER 132 eine effizientere Trassenplanung mit dem Bau ausreichender Überholgleise ZIFFER 134 sowie der Ausbau europäischer Schienenverkehrskorridore durch Abbau von Inkompatibilitäten wie national unterschiedliche Betriebssprachen. ZIFFER 135 Schließlich dürfte die eigentumsrechtliche Entflechtung der Infrastruktur vom restlichen DB-Konzern dazu beitragen, die Qualität der Schieneninfrastruktur zu erhöhen und den Wettbewerb unterschiedlicher Betreiber zu fördern. ZIFFER 137 Diese Vorteile müssten gegen mögliche Umstellungskosten und potenzielle Verluste von Verbundvorteilen abgewogen werden.
(8) Der weitaus stärkere Hebel zur Reduktion der THG-Emissionen des Güterverkehrs ist die Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs, der 98 % der THG-Emissionen im Güterverkehr ausmacht. ABBILDUNG K2 UNTEN Dazu müssen LKW auf alternative Antriebe umgestellt werden, wie batterieelektrische LKW (BE-LKW) oder Brennstoffzellen-LKW (FCE-LKW). Der nationale CO2-Preis, die CO2-Komponente der LKW-Maut und perspektivisch das EU-ETS II (EU Emissions Trading System) setzen dazu technologieneutrale Anreize. ZIFFERN 85 FF. Der Hochlauf alternativer Antriebe erfordert jedoch auch den Aufbau einer entsprechenden Lade- oder Tankinfrastruktur, inklusive des zugehörigen Netzausbaus. ZIFFERN 140 FF. Der öffentlichen Hand kommt dabei die Rolle zu, Koordinationsprobleme beim Aufbau zu beheben. Um die erforderlichen Netzwerk- und Skalierungseffekte zu erzielen, werden öffentliche Mittel am besten für den Ausbau der Lade- und Tankinfrastruktur für alternative Antriebe eingesetzt. ZIFFER 141
(9) Angesichts der Notwendigkeit der Dekarbonisierung sprechen vor dem Hintergrund knapper öffentlicher Mittel und Planungskapazitäten drei Gründe dafür, die staatliche Unterstützung zunächst auf den Aufbau der flächendeckenden Ladeinfrastruktur für BE-LKW zu fokussieren. ZIFFERN 149 FF.ANDERE MEINUNG ZIFFERN 160 FF. Erstens weist der BE-LKW die höchste Marktreife auf und dürfte daher bis auf Weiteres die dominierende emissionsarme Antriebstechnologie sein. ZIFFER 104 Seine Einsatzmöglichkeiten haben sich aufgrund der technologischen Entwicklungssprünge bei der Batterie- und Ladetechnologie in den vergangenen Jahren deutlich erweitert. Beim Aufbau der Ladeinfrastruktur und beim Netzausbau bestehen Synergieeffekte mit dem Hochlauf des BE-PKW sowie mit der Elektrifizierung anderer Sektoren, etwa durch Nutzung von Flächen entlang der Autobahnen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien. Um die Rahmenbedingungen für private Investitionen in die Ladeinfrastruktur zu verbessern, müssen insbesondere Flächen für Schnellladepunkte entlang der Autobahnen bereitgestellt und die dort aktuell und zukünftig verfügbaren Netzkapazitäten transparent kommuniziert werden. ZIFFER 118
Zweitens sind nur mit einer solchen Fokussierung deutliche Fortschritte bei der Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs bis zum Jahr 2030 zu erreichen. ZIFFER 106ANDERE MEINUNG ZIFFERN 168 FF. In der näheren Zukunft ist die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff ungewiss. Der BE-LKW kann dagegen bereits beim heutigen Strommix Emissionsreduktionspotenziale realisieren. Für die Anwendung von Wasserstoff im Straßengüterverkehr bestehen außerdem Nutzungskonflikte, insbesondere mit den Prozessen in der Industrie, die sich nicht oder nur schwer elektrifizieren lassen. ANDERE MEINUNG ZIFFERN 179 FF.
Drittens stellt der BE-LKW die technische Basis für den FCE-LKW dar. Eine solche Fokussierung verbaut daher nicht die Möglichkeit für einen späteren Einsatz von FCE-LKW in schwer zu elektrifizierenden Anwendungen des Güterfernverkehrs, sollte dies technisch erforderlich sein. ZIFFER 156ANDERE MEINUNG ZIFFERN 173 FF. Innerhalb des Straßengüterverkehrs handelt es sich hierbei jedoch um Nischenanwendungen, die nicht notwendigerweise den Aufbau einer flächendeckenden öffentlich finanzierten Infrastruktur für Wasserstofftankstellen erfordern. ANDERE MEINUNG ZIFFERN 175 FF. Stattdessen könnten diese Anwendungsfälle beispielsweise auch über mobile Wasserstofftankstellen oder Betriebstankstellen abgedeckt werden oder durch den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen dekarbonisiert werden.
(10) Der Hochlauf des emissionsarmen Straßengüterverkehrs sollte europäisch koordiniert erfolgen. Die europäische AFIR (Alternative Fuels Infrastructure Regulation) gibt bereits bis zum Jahr 2030 den Aufbau paralleler Lade- bzw. Tankinfrastrukturen für den BE-LKW und den FCE-LKW vor. KASTEN 18 Die Zwischenevaluation Ende des Jahres 2024 bietet Deutschland die Möglichkeit, sich mit weiteren europäischen Mitgliedstaaten zu koordinieren und Marktpotenziale sowie Bedarfe der durch AFIR regulierten Infrastrukturen für alternative Kraftstoffe auf europäischer Ebene gemeinsam neu zu bewerten. ZIFFER 159ANDERE MEINUNG ZIFFERN 181 FF.
ERHOLUNG DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT VERZÖGERT SICH WEITER
- Im Jahr 2024 dürften die Realeinkommenszuwächse die privaten Konsumausgaben und damit die deutsche Konjunktur langsam anschieben. Im Jahr 2025 dürften auch die Investitionen leicht an Fahrt gewinnen.
- Der Sachverständigenrat erwartet, dass das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt in Deutschland in diesem Jahr lediglich um 0,2 % und im Jahr 2025 um 0,9 % steigt. Für die Verbraucherpreisinflation prognostiziert er jahresdurchschnittliche Raten von 2,4 % bzw. 2,1 %.
- Die Prognose unterliegt angesichts der Unsicherheit über die geopolitischen Entwicklungen sowie die Haushalts- und Wirtschaftspolitik erheblichen Risiken.
GÜTERVERKEHR ZWISCHEN INFRASTRUKTURANFORDERUNGEN UND DEKARBONISIERUNG
- Der zunehmend schlechtere Zustand der Straßen- und Schieneninfrastruktur belastet die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und macht höhere Investitionen erforderlich.
- Eine Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene ist aufgrund von Kapazitätsengpässen und großteils getrennten Märkten zwischen Straßen- und Schienengüterverkehr nur begrenzt möglich.
- Für eine schnelle und effiziente Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs sollte die Politik zunächst auf den bedarfsgerechten Aufbau der Ladeinfrastruktur für batterieelektrische LKW fokussieren.
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